Unprofessionelles Lehrerhandeln – zu wenig Distanz zu Schülerinnen und Schülern als Kündigungsgrund?
Lehrerinnen und Lehrer müssen hohen Ansprüchen gerecht werden. Ihr Verhalten sollte stets von Professionalität gekennzeichnet sein, denn sie stehen tagtäglich in der Öffentlichkeit. Wahren Lehrkräfte hier nicht die notwendige Distanz zu Schülerinnen und Schülern, so riskieren sie ihr Ansehen. Doch riskieren sie auch ihren Beruf?
Der konkrete Fall: Handy-Kontakte, Privateinladungen, Angebot einer Fußmassage
Der Kläger arbeitet seit 2007 als Lehrer bei der Beklagten. Nachdem Ende 2020 ein Schüler der Schulleitung geschildert hatte, dass der Lehrer ihn mehrfach über WhatsApp kontaktiert und ihm Treffen im privaten Bereich und außerhalb der Schule vorgeschlagen habe, erging im Dezember 2020 eine Dienstanweisung. Der Schüler hatte geschildert, dass er sich dadurch unwohl gefühlt habe. Auch der Lehrer räumte in der daraufhin durchgeführten Anhörung ein, dass sein Verhalten unangemessen war.
Zur gleichen Zeit hatte der Kläger schon in ähnlicher Weise mit einem anderen Schüler kommuniziert. Dies teilte er der Beklagten aber nicht mit. Im Oktober 2020 fand sogar ein Treffen mit diesem Schüler bei dem Kläger zu Hause statt. Der Kläger hatte ihm sogar angeboten, ihm die Füße zu massieren. Nachdem sich der Schüler im März 2022 der Interventionsbeauftragten der Schule anvertraut hatte, wurde das in der Schule und beim Schulträger eingerichtete Verfahren zur Intervention beziehungsweise Risikoeinschätzung in Gang gesetzt. Dem Lehrer wurde im April 2022 – unter Mitwirkung der in der Schule gebildeten Mitarbeitervertretung – außerordentlich fristlos gekündigt. Die Beklagte führte zur Begründung auch an, dass sie von weiteren ähnlichen Vorfällen zwischen dem Kläger und Schülern in früheren Jahren erfahren habe.
Kündigungsschutzklage – Kündigung ohne Abmahnung möglich?
Der Kläger bestritt, sich seinen Schülern gegenüber in der geschilderten Weise unangemessen verhalten zu haben. Er habe lediglich versucht, sie zu fördern und zu unterstützen. Es sei auch üblich, dass große Teile des Lehrerkollegiums über WhatsApp mit den Schülerinnen und Schülern kommunizieren. Daher erhob er Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht in Essen bewertete am 16. August 2022 (AZ: 2 Ca 650/22) die Kündigung als rechtsunwirksam. Es hätte vorher eine Abmahnung des Klägers geben müssen. Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung ein, beschäftigte den Lehrer aber weiter und stellte ihn nicht frei.
Das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf hielt das geschilderte Verhalten für unangemessen. Anders als die erste Instanz war das Landesarbeitsgericht der Überzeugung, eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung sei gerechtfertigt.
Statt Urteil – Vergleich der Parteien
Allerdings müssten die von der Beklagten benannten Schüler als Zeugen vernommen werden. Auch besprach das Gericht mit den Parteien, welche rechtlichen Folgen es hat, dass die Beklagte den Kläger trotzdem nach der erstinstanzlichen Entscheidung an der Schule vorläufig weiterbeschäftigt hat. Hierzu war sie weder verurteilt worden noch habe sie mit dem Kläger über die Konditionen dieser Weiterbeschäftigung eine schriftliche Vereinbarung getroffen.
Sollte sich die Kündigung als wirksam herausstellen, wäre in einem weiteren Prozess zu klären, ob durch die Beschäftigung ein neues Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.
Vor dem Hintergrund dieser verworrenen prozessualen Situation hat das Gericht den Parteien dringend angeraten, Möglichkeiten einer einvernehmlichen Beilegung des Konflikts zu suchen. Dem Wunsch nach außergerichtlich Vergleichsverhandlungen kamen die Parteien nach.
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