Überblick

Im Bereich der Ehrverletzungsdelikte (§§ 185 ff. StGB) gibt es die Besonderheit, dass die Strafbarkeit entfällt, wenn sich der Täter auf den Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) berufen kann.

 

Der Rechtfertigungsgrund kann eingreifen, wenn es sich um tadelnde Urteil über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen sowie um Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt. Das selbe gilt bei Vorhaltungen und Rügen Vorgesetzter gegenüber ihren Untergebenen, bei dienstlichen Anzeigen oder Urteilen von Seiten eines Beamten sowie für ähnliche Fälle.

 

Besondere Bedeutung kommt § 193 StGB dabei im öffentlichen und politischen Meinungskampf zu, denn von der herrschenden Ansicht wird die Vorschrift als Ausprägung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG) angesehen mit der Folge, dass die Meinungsfreiheit nur noch in Sonderfällen - wie der Schmähkritik - hinter dem Ehrenschutz zurücktritt.

Beispiele

Fall 1

Schulleiterin L erregt sich über Äußerungen ihres Kultusministers K, der die gesamte Lehrerschaft wegen mangelndem Engagement für die schlechten Ergebnisse bei der Pisa-Studie verantwortlich macht. Hierauf reagiert L, indem Sie auf ihrer Homepage dem Kultusminister vorwirft, Schuld an der Bildungsmisere zu sein, da "er mit bespielloser pädagogischer Ahnungslosigkeit agiere und sich immer wieder als Totengräber des deutschen Bildungssystems hervortue".

Kurzantwort

Äußerung der L wohl noch vom Recht auf Meinungsäußerung und auf einen "Gegenschlag" gedeckt.

Fall 2

Schülerin S liest im Deutschunterricht ein Buch des Autors B, welches ihr völlig missfällt. Sie bezeichnet den Autor deshalb - ohne konkreten Bezug zum Buch - im öffentlichen Gästebuch des Verlags von B als "steindummen, kenntnislosen und talentfreien Autor" sowie als "zum Teil pathologischen, zum Teil harmlosen Knallkopf".

Kurzantwort

Keine Wahrnehmung berechtigter Interessen, da bloße Schmähkritik.

Fall 3

Die elektronische Schülerzeitung der S-Schule enthält einen Artikel über den Prominenten P, der angeblich in Thailand mit einem minderjährigen Mädchen in einem Hotel gesehen wurde. Die "Information" ist allerdings falsch und stammt von einem Newsletter im Internet. Der verantwortliche Redakteur der elektronischen Schülerzeitung unternimmt keinerlei Anstalten, die Richtigkeit der Meldung zu überprüfen.

Kurzantwort

Keine Wahrnehmung berechtigter Interessen, da klarer Verstoß gegen die Prüfungspflichten der Medien.