Überblick

Das am 1. April 2003 in Kraft getretene neue Jugendschutzrecht hat zu weitreichenden Reformen geführt, insbesondere ist nunmehr streng zwischen so genannten Trägermedien und so genannten Telemedien zu unterscheiden. Während das Jugendschutzgesetz des Bundes (JuSchG) in erster Linie Verbreitungsbeschränkungen für Trägermedien vorsieht, erstrecken sich die Regelungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages der Länder (JMStV) neben dem Rundfunk auf den Bereich der Telemedien. Der Begriff der Trägermedien ist gesetzlich definiert und erfasst im Wesentlichen Inhalte auf portablen "Offline"-Medien wie zum Beispiel Videokassetten, DVDs, CD-ROM, Bücher und sonstige Druckschriften. Demgegenüber umfasst der Begriff der Telemedien alle "Online-Medien" mit Ausnahme des Rundfunks, also insbesondere WWW-Angebote aber auch E-Mail-Inhalte. Die Unterscheidung zwischen Trägermedien und Telemedien ist jedoch gelegentlich nur schwer durchführbar, weil Offline und Online immer mehr verschmelzen (ist zum Beispiel ein Inhalt, der auf einem PDA mit Speicherkarte und WLAN-Zugang gespeichert ist, ein Träger- oder ein Telemedium?). Dies ist vor allem deshalb besonders misslich, weil für beide Medienbereiche unterschiedliche Jugendschutz-Regelungen gelten, welche in ihrer Reichweite und Strenge zum Teil erheblich von einander abweichen.

Beispiele

Internet-Flohmarkt-Fall

Das Gymnasium G will auf seiner Homepage einen "virtuellen Flohmarkt" veranstalten und bietet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, alte Spielsachen oder sonstige Gegenstände als Verkaufs- und Versandangebot im Internet anzubieten. Der 18-jährige Oberstufenschüler O bietet in dem frei zugänglichen virtuellen Flohmarktbereich der Schulhomepage CD-ROMs mit indizierten und schwer jugendgefährdenden Computerspielen (zum Beispiel "Wolfenstein 3D") zum Verkauf an. Tatsächlich meldet sich daraufhin der 16-jährige Spiele-Fan S, der die Spiele sofort bei O abholt und bar bezahlt.

Kurzantwort

Hier finden die für Trägermedien geltenden Verbotsbestimmungen des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) Anwendung. Zwar bietet O die indizierten und schwer jugendgefährdenden Spiele im Internet an. Entscheidend ist aber stets, welchem Medienbereich die konkret jugendschutzrechtlich relevanten Inhalte zuzuordnen sind. Dies sind vorliegend die Spiele-CD-ROMs, welche ohne weiteres als Trägermedien zu qualifizieren sind. O - und möglicherweise auch das aufsichts- und überwachungspflichtige Gymnasium G - sind daher wegen des Zugänglichmachens indizierter und schwer jugendgefährdender Trägermedien gegenüber einem Minderjährigen nach § 15 Absatz 1 Nr. 1 JuSchG verantwortlich.

Nazi-Musik-Download-Fall

Der 17-jährige Schüler B ist im Besitz einer umfangreichen Musik-CD-Sammlung von rechtsradikalen Rockbands. Die Audiodaten mehrerer wegen Jugendgefährdung von der Bundesprüfstelle indizierten Musiktitel speichert er auf seinem Computer und bietet sie auf seiner von der Schule S gehosteten Schülerhomepage anderen Internetnutzern gegen ein geringes Entgelt zum frei zugänglichen Download an. Zu seinem eigenen Erstaunen findet sein Angebot rege Nachfrage und seine Musikdateien werden regelmäßig abgerufen und kopiert.

Kurzantwort

Hier finden - neben den vorliegend einschlägigen urheberrechtlichen Verbotsnormen - die für Telemedien geltenden Verbotsbestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) Anwendung. Zwar nutzt B für sein Angebot ursprünglich auf Trägermedien (Musik-CDs) gespeicherte Dateninhalte. Entscheidend ist aber stets, welchem Medienbereich die konkret jugendschutzrechtlich relevanten Inhalte im Zeitpunkt der verbotenen Handlung des Verbreitens oder Zugänglichmachens zuzuordnen sind. Die über die Homepage abrufbaren Downloadangebote stellen ohne weiteres einen Informations- und Kommunikationsdienst dar und sind damit als Telemedien zu qualifizieren. Der 17-jährige Schüler B ist daher wegen des ohne Altersbeschränkung vorgenommenen Verbreitens von Telemedien, welche mit indizierten Werken inhaltsgleich sind, nach § 4 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 JMStV verantwortlich. Sind die Inhalte etwa volksverhetzend, besteht zusätzlich eine Strafbarkeit nach § 130 StGB. Auch eine Verantwortlichkeit der Schule kommt insoweit in Betracht (siehe (debug link record:lo_unit:tx_locore_domain_model_unit:166097)).

Abgrenzungs-Fall

Der 18-jährige Schüler S kann sich keinen eigenen Computer leisten. Daher nutzt er einen Rechner im Computerraum der Schule B, um Daten zu speichern und auf vielfältige Weise zu nutzen. Mit Vorliebe sammelt S Bilddateien von nackten und sich anreizend posierenden minderjährigen Mädchen (keine Kinderpornografie im Sinne des § 184 Absatz 3 StGB). Einige der Dateien verschickt er als E-Mail-Anhang an minderjährige Mitschülerinnen. Doch auch im Computerraum selbst zeigt er am Bildschirm des Rechners - indes ausschließlich volljährigen - Mitschülern aus seiner Klasse derartige Bilder. Als auch der 17-jährige Mitschüler M von den Bildern erfährt und Interesse bekundet, brennt S die Bilddateien auf einen CD-Rohling und übergibt M die CD gegen 5 €.

Kurzantwort

Das Verbreiten von erotografischen Darstellungen ist im Falle von Telemedien nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nr. 9 JMStV generell verboten, im Falle von Trägermedien nach § 15 Absastz 2 Nr. 4 JuSchG lediglich das Zugänglichmachen gegenüber Minderjährigen. Die an die Mitschülerinnen versandten E-Mails samt ihren Anhängen sind als Telemedien zu qualifizieren, da sie online als Teledienst verbreitet und genutzt werden. Insoweit hat S also gegen das entsprechende absolute Verbreitungsverbot des JMStV verstoßen. Die Übergabe der gebrannten Bilddatei-CD-ROM an den 17-jährigen M stellt dagegen ein verbotenes Zugänglichmachen eines "Trägermediums" nach dem JuSchG dar, was aber "nur" gegenüber einem Jugendlichen unzulässig ist. Besonders problematisch ist der Fall des Zeigens von Bilddateien, welche auf eine Festplatte gespeichert sind und nur über den Bildschirm anderen Personen sichtbar gemacht werden. Die herrschende Rechtsmeinung geht hier vom Zugänglichmachen von Trägermedien aus, weil der Medieninhalt als "in ein Vorführgerät eingebaut" anzusehen ist. Da S aber nur Erwachsenen die Bilddateien gezeigt hat, verstößt er nicht gegen das für Trägermedien geltende relative Verbot des § 15 Absatz 2 Nr. 4 JuSchG.