Meist keine inhaltliche Verantwortlichkeit der Schule

Analoge Anwendung der schulgesetzlichen Verantwortlichkeitsfreistellungen

In den allermeisten Schulgesetzen findet sich der Grundsatz, dass Schülerzeitungen außerhalb der Verantwortung der Schule herausgegeben werden. Diese Regelung ist nicht nur für Schülerzeitungen auf Papier, sondern auch für elektronische Schülerzeitungen sinnvoll, da es Sinn und Zweck der Schülerzeitungen ist, den Schülerinnen und Schülern den Gebrauch ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung zu ermöglichen. Nichts anderes kann aber für die elektronischen Schülerzeitungen gelten. Auch in diesem Fall nehmen die Schülerinnen und Schülern ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahr.

 

Damit ist aber der Rechtsgedanke dieses Grundsatzes entsprechend auf elektronische Schülerzeitungen anzuwenden und deshalb der Inhalt der elektronischen Schülerzeitungen weitgehend der Einflussnahme der Schulleitung entzogen. Eine Verantwortlichkeit des Schulleiters oder der Schulleiterin beziehungsweise der "Internet-Verantwortlichen" an der Schule erscheint somit nicht sachgerecht, außer die Schule stellt die technische Infrastruktur zur Verfügung, um ein Hosting der elektronische Schülerzeitung zu ermöglichen und den zuständigen Personen ist bekannt, dass dort illegale Inhalte zugänglich gemacht werden (näheres zu diesem Spezialfall unten).

 

Im Ergebnis lässt sich damit festhalten: Es spricht viel dafür, zumindest die in den allermeisten Schulgesetzen vorhandene "Verantwortungsfreistellung" der Schulen auch im Falle von elektronischen Schülerzeitungen anzuwenden. Gleichwohl ist zu beachten, dass entsprechende Rechtssprechung, soweit ersichtlich, in diesem Bereich noch nicht ergangen ist und daher verbindliche Aussagen noch unmöglich sind. Auf jeden Fall sollte aber das Schulgesetz für Bremen auf elektronische Schülerzeitungen bremischer Schulen anwendbar sein, da (debug link record:lo_unit_subpage:tx_locore_domain_model_unitpopup:540596) dieses Gesetzes die Bestimmungen für gedruckte Schülerzeitungen auch auf alle andern Medien überträgt.

Rechtslage in den meisten Bundesländern

Geht man von einer Anwendbarkeit der Länderschulgesetze und -Verordnungen im Bereich der "Verantwortungsfreistellung" auf elektronische Schülerzeitungen aus, so ergibt sich folgende Rechtslage: In den meisten Bundesländern (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen) wird eine inhaltliche Verantwortung der Schule für die Schülerzeitung explizit ausgeschlossen. So bestimmt zum Beispiel das nordrhein-westfälische Schulgesetz in (debug link record:lo_unit_subpage:tx_locore_domain_model_unitpopup:540588), dass Schülerzeitungen "nicht der Verantwortung der Schule" unterliegen. Dies gilt selbst dann, wenn die Herausgeber und Redakteure, das heißt die Schülerinnen und Schüler, eine Lehrkraft beratend hinzuziehen.

Sonderfall Bayern und Rheinland-Pfalz

Etwas anderes ergibt sich allerdings für Bayern und Rheinland-Pfalz: In Bayern legt Artikel 63 Absatz 1 Satz 4 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in seiner neuen Fassung fest, dass die Redaktion ein Wahlrecht hat, ob die Schülerzeitung als Einrichtung der Schule im Rahmen der Schülermitverantwortung oder als Druckwerk im Sinne des Bayerischen Pressegesetzes erscheint. In Rheinland-Pfalz können die Schülerinnen und Schüler ebenfalls wählen, ob sie die Schülerzeitung im Rahmen einer Schulveranstaltung oder in alleiniger Verantwortung herausgeben wollen. Entscheiden sich die Schülerinnen und Schüler dafür, die Schülerzeitung als Einrichtung der Schule im Rahmen einer Schulveranstaltung herauszugeben, kommt eine strafrechtliche Mitverantwortlichkeit der an der Schule für diesen Bereich verantwortlichen Personen in Betracht.

Sonderkonstellation

Verantwortlichkeit der Schule für ihre technische Infrastruktur

Eine Besonderheit besteht, wenn die Schülerzeitung auf einem gegebenenfalls vorhanden Schulserver gehostet wird. In diesem Fall kommt eine Verantwortung der Schule aufgrund dieses technischen Sachverhalts nach § 11 Gesetz über die Nutzung von Telediensten (TDG) beziehungsweise § 9 Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) in Betracht (beide Regelungen sind inhaltlich identisch). Da jedoch das (rein technische) Hosting ein anderer Sachverhalt ist als die redaktionelle Publikation der Schülerzeitung, kann der Verantwortlichkeit der Schule als Host-Provider nicht die in vielen Schulgesetzen garantierte Unabhängigkeit entgegengehalten werden: Wenn ein unabhängiger Host-Provider zum Einschreiten verpflichtet wäre, muss es auch die als Host-Provider auftretende Schule sein.

 

Falls die Schülerzeitung auf dem Schulserver gehostet wird, gelten deswegen die eben genannten Verantwortlichkeitsregeln für fremde gespeicherte Inhalte. Dies bedeutet, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Schulleitung beziehungsweise der "Internet-Beauftragten" dann gegeben ist, wenn diese Kenntnis von rechtswidrigen Handlungen beziehungsweise Informationen haben und nicht unverzüglich diese Informationen auf ihrem Server entfernen oder den Zugang zu ihnen sperren. Dies widerspricht auch nicht den Vorgaben der Schulgesetze, die häufig analog für gedruckte Schülerzeitungen vorsehen, dass die Schulleitung den Vertrieb einer gedruckten Schülerzeitung auf dem Schulgelände untersagen kann, wenn diese gegen geltendes Recht - also auch Strafrecht - verstößt. Die Beschränkung der Verantwortlichkeit gemäß den §§ 11 Satz 1 TDG, 9 Satz 1 MDStV auf Fälle der positiven Kenntnis von rechtswidrigen Handlungen und Informationen wird in den meisten Bundesländern auch nicht gem. den §§ 11 Satz 2 TDG, 9 Satz 2 MDStV durch das Aufsichtsverhältnis der Lehrer zu den Schülerinnen und Schülern ausgeschlossen, da sich die Schülerinnen und Schüler gegenüber der Schule zwar in einem Aufsichtsverhältnis befinden, jedoch den allermeisten Schulgesetzen gerade der eindeutige gesetzgeberische Wille zu entnehmen ist, dass die Schülerzeitung autonom durch die Schülerinnen und Schüler gestaltet werden soll (außer in Bayern oder Rheinland-Pfalz erscheint die Schülerzeitung als "schulische Einrichtung").