Vertiefung
VORAUSSETZUNGEN DES GEWALTDARSTELLUNGSVERBOTS
Gewalttätigkeit gegen Menschen
Erforderlich ist nach (debug link record:lo_unit_subpage:tx_locore_domain_model_unitpopup:537284) zunächst, dass "Gewalttätigkeiten" dargestellt werden. Gleichbedeutend wird der Begriff der "Gewalttätigkeiten" außerdem zur Definition von Gewaltpornografie verwandt ((debug link record:lo_unit_subpage:tx_locore_domain_model_unitpopup:540042), siehe dazu (debug link record:lo_unit:tx_locore_domain_model_unit:180821)). Der Darstellung muss also - wie bei der Gewaltpornografie - ein aggressives, brutales Handeln ("Kraftentfaltung") gegen eine oder mehrere andere Personen zu entnehmen sein. Obwohl im Straftatbestand vom Plural "Gewalttätigkeiten" die Rede ist, genügt nach allgemeiner Meinung der Rechtsliteratur bereits die Darstellung einer einzigen Gewalttätigkeit aus. Dies ergibt sich aus dem umfassenden Schutzzweck der Strafnorm.
Die Gewalttätigkeit muss weiterhin durch eine Person oder mehrere Personen ausgeübt werden, so dass Gewalt etwa durch Tierangriffe, Naturkatastrophen et cetera nicht erfasst ist. Die bloße Darstellung oder Wiedergabe von Gewaltfolgen (zum Beispiel das Bild eines getöteten Menschen en Detail) reicht ebenfalls nicht aus.
Gewalttätigkeiten gegen menschenähnliche Wesen
Seit der Strafrechtsreform 2004 erfasst das Strafverbot des § 131 Strafgesetzbuch (StGB) nicht nur Darstellungen von Gewalttätigkeiten gegen Menschen sondern auch gegen "menschenähnliche Wesen". Nimmt man den Wortlaut der Vorschrift ernst, so müssen also auch so genannte "Horror-Splatter-Filme", welche grausame und unmenschliche Gewalt gegen Zombies, Vampire et cetera zeigen, grundsätzlich nach dem Verbot bei Strafe untersagt sein. Die bisherige Strafverfolgungs- und Beschlagnahmepraxis in Deutschland ist aber sehr zurückhaltend und die Reichweite des erweiterten Verbotes damit letztlich unklar. Auch in der Rechtsliteratur wird darauf hingewiesen, dass die Grenze nicht einfach zu bestimmen sei, ab wann eine Darstellung so fantasievoll ist, dass kein "menschenähnliches" Wesen, sondern eine erfundene Kreatur, ein "Alien" et cetera, vorliegt. Zudem werfe das Tatbestandsmerkmal "in einer die Menschenwürde verletzenden Weise" in der Kombination mit "menschenähnlichen Wesen" kaum noch rational lösbare Interpretationsfragen auf (wann liegen Darstellungen gegen nichtmenschliche Wesen vor, die gleichwohl die Menschenwürde verletzen? Ist dabei abzustellen auf die Menschenwürde als übergeordnetes Ordnungsprinzip oder sogar auf den Rezipienten?). Daher wird gefordert, den Begriff der "menschenähnlichen Wesen" eng auszulegen und nur auf Figuren anzuwenden, die nach ihrer physischen Erscheinung einem Menschen zum Verwechseln ähnlich sehen. Die Diskussion ist insoweit aber keinesfalls abgeschlossen. Entworfene Figuren, die zwar in ihrem Verhalten und ihren Fähigkeiten menschliche Züge aufweisen, aber erkennbar zum Beispiel als Tierfiguren oder als "außerirdische Aliens" gezeichnet sind, werden dagegen auch nach neuem Recht eindeutig nicht von § 131 StGB erfasst.Aufgrund der Erweiterung des Straftatbestands des § 131 Strafgesetzbuch (StGB) um "menschenähnliche Wesen" können künftig auch Computerspiele (insbesondere Ego-Shooter) Gegenstand eines Strafverfahrens oder eines Beschlagnahmebeschlusses sein. So ist zum Beispiel das Computerspiel "Manhunt" in der englischsprachigen Version für die Sony Playstation 2 vom Amtsgericht München durch Beschluss vom 19.07.2004 wegen Verstoßes gegen das Gewaltdarstellungsverbot nach § 131 StGB beschlagnahmt worden. In der Begründung wird unter anderem ausgeführt, dass das Spiel den Spieler zur Vernichtung "menschlicher beziehungsweise menschenähnlicher Wesen" auffordert und diese Vorgänge detailfreudig und besonders brutal dargestellt seien. Ziel des Spiels war es, mittels aufgefundener Gegenstände andere Personen möglichst perfide für ein Snuff-Video zu töten.
Grausame und sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten
Die gezeigten Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen müssen für eine Verwirklichung des § 131 Strafgesetzbuch (StGB) weiterhin grausam oder sonst unmenschlich sein. Merkmal der Grausamkeit ist die Zufügung besonderer Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art, die eine brutale, gefühllose und unbarmherzige Haltung des "Täters" (Filmdarsteller, gegebenenfalls auch Computerspielfigur) erkennen lassen. Das ist in dem "Silenced-Wife-Fall" bei gleichsam unbeeindruckter stetiger Fortsetzung des brutalen Stoßens eines menschlichen Kopfes gegen die Wand bis zum Austritt von Hirnflüssigkeit der Fall. "Sonst unmenschlich" sind geschilderte Gewalttätigkeiten dann, wenn dem Opfer zwar nicht besondere Schmerzen oder Qualen zugefügt werden, die aggressiven Gewalthandlungen aber ebenfalls Ausdruck einer menschenverachtenden rücksichtslosen Gesinnung sind (zum Beispiel stückweises Verstümmeln eines Bewusstlosen). Auch im "Kannibalen-Fall" kommt es also nicht etwa darauf an, ob die "gepfählten" Menschenopfer noch bei Bewusstsein sind.Verherrlichen oder Verharmlosen des brutalen Handelns
Damit das Strafverbot des § 131 Strafgesetzbuch (StGB) vorliegt, muss die gezeigte Gewalttätigkeit zusätzlich auf eine bestimmte Art und Weise dargestellt sein und zwar muss eine Verherrlichung oder Verharmlosung des gezeigten brutalen Handelns zum Ausdruck kommen. Ein Verherrlichen ist nicht nur wörtlich im Sinne direkter Glorifizierung oder Lobpreisung von Gewalttätigkeiten aufzufassen, sondern auch als bejahende oder auch positiv bewertende Wiedergabe solcher Vorgänge (zum Beispiel Darstellung als legitimes und vorzugswürdiges Konfliktlösungsverhalten). Auch in zynischen Kommentaren oder auch nur "halb ernst" gemeinten Aufforderungen der Nachahmung kann - wie im "Silenced-Wife-Fall" - eine Verherrlichung der Gewaltdarstellung in diesem Sinne zum Ausdruck kommen.
Ein Verharmlosen wird man demgegenüber in Gewaltmedien bereits annehmen müssen, wenn die gezeigten Gewalttätigkeiten als reine Bagatelle oder als unbedeutend (zum Beispiel begleitet durch zynische Sprüche) dargestellt werden. Das bloße Ausblenden von Gewalt oder deren Folgen ist aber vom Strafverbot grundsätzlich nicht erfasst, da insoweit in den meisten Fällen gerade keine nach § 131 StGB erforderliche "Schilderung von grausamen oder sonst unmenschlichen Gewalttätigkeiten" gegeben sein wird.