Kurzantwort

Die Lehrkraft muss aufgrund der ihr obliegenden Aufsichtspflicht die Schülerinnen und Schüler bei der Nutzung des Internets im Rahmen des Unterrichts (als Thema oder Lehrmittel) beaufsichtigen. Wie intensiv diese Kontrolle auszugestalten ist, hängt vom Alter und Verhalten der Schülerinnen und Schüler ab.

Ausführliche Antwort

Wann haftet die Lehrkraft?

Das Internet wird im Rahmen des Unterrichts als Mittel zur Informationssuche eingesetzt, aber auch als eigener Unterrichtsstoff zur Schulung des verantwortungsbewussten Umgangs mit dem Medium behandelt. Es sind unterschiedliche Situationen denkbar, in denen die Nutzung des Internets im Rahmen des Unterrichts für die Lehrkraft die Frage nach der eigenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Straftaten der Schülerinnen und Schüler nach sich ziehen kann.

 

Damit stellt sich die Frage: Haftet die Lehrkraft, wenn Schülerinnen und Schüler strafbare Inhalte aus dem Internet laden, beleidigende E-Mails versenden oder urheberrechtlich geschützte Musikstücke verbreiten?

Straftatbegehung durch aktives Tun

Teilnahme oder Mitwirkung an strafbaren Handlungen

Eine Verantwortlichkeit der Lehrkraft aufgrund einer fahrlässigen oder vorsätzlichen aktiven Handlung dürfte nur selten in Betracht kommen. Lediglich in den Fällen, in denen die Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler anweisen würde, strafbare Handlungen zu begehen (zum Beispiel Webseiten mit rechtswidrigem Inhalt ins Netz zu stellen) oder aber gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern entsprechende Handlungen vornähme, läge eine aktive Tatbegehung vor.

Straftatbegehung durch Unterlassen der Aufsichtspflicht

Verletzung der Aufsichtspflicht

Ein größeres Risiko begründet für die Lehrkraft die Verletzung ihrer Aufsichtspflicht. Die Lehrkraft ist verpflichtet, Schaden von den Schülerinnen und Schülern abzuwenden und darüber zu wachen, dass auch die Schülerinnen und Schüler keine Schäden verursachen und keine Straftaten begehen. Im Rahmen von einzelnen Unterrichtsstunden obliegt die Verantwortung denjenigen Lehrkräften, welche die unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht tragen.

Kriterien für den Umfang der Aufsichtspflicht

Die Rechtsprechung konkretisiert diese Obhuts- und Schutzpflichten durch eine Einbeziehung folgender Merkmale: Alter/Reifezustand der Schülerin/des Schülers, bisher bekanntes Verhalten der Schülerin/des Schülers sowie Maß der bestehenden Gefahr. So begründet zum Beispiel im klassischen Offline-Bereich der Ausflug zu einem ungesicherten Badesee mit einer Grundschulklasse weitergehende Aufsichtspflichten als bei der regulären Pausenaufsicht. Auch ist beispielsweise anerkannt, dass die Aufsichtspflicht gegenüber volljährigen Schülerinnen und Schülern stark eingeschränkt ist und primär darauf abzielt eine Schädigung Dritter, insbesondere jüngerer Schülerinnen und Schüler, zu verhindern.

Ähnliche Verantwortlichkeit wie im Offline-Bereich

In Verbindung mit § 13 Strafgesetzbuch (StGB) führt diese Aufsichtspflicht der Lehrkraft dazu, dass bereits das Unterlassen allgemein bekannter Schutz- und Kontrollhandlungen eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für Straftaten Dritter begründen kann. Für das Internet gelten insoweit - von Ausnahmen abgesehen - keine besonderen Verantwortlichkeitsregeln für Lehrkräfte. Die Verantwortlichkeit richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen, die der Lehrkörper auch im Offline-Bereich zu beachten hat. Dies sind insbesondere die oben genannten Merkmale Alter, bisheriges Verhalten und Gefahrintensität.

Praktische Umsetzung der Aufsichtspflicht

Kontrolle des Nutzungsverhaltens

Konkret für das Internet bedeutet dies: Da anerkanntermaßen selbst bei "normaler" Nutzung des Mediums die ungewollte Konfrontation mit illegalen Inhalten nicht ausgeschlossen werden kann, besteht die Pflicht, das Nutzungsverhaltens der Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts routinemäßig zu überprüfen. In Betracht kommt neben der persönlichen Kontrolle des Nutzungsverhalten insbesondere die Installation von Filtersoftware. Zur Umsetzung der Aufsichtspflicht und den einzelnen in Betracht kommenden Aufsichtsmaßnahmen siehe rechts unter "Verwandte Beiträge".

Vorgehen beim Auffinden von Hinweisen auf unzulässige Nutzung

Reaktion auf unzulässige Nutzung

Erhält die Lehrkraft durch die Aufsicht auf diesem oder anderem Wege Hinweise auf eine unzulässige Nutzung, müssen intensivere Aufsichtsmaßnahmen angekündigt und im Fall weiterer Verstöße durchgeführt werden.

Verhältnismäßigkeit der Eingriffsmittel

Die Lehrkraft ist allerdings nicht verpflichtet, bei jedem Verstoß alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um weitere Pflichtverstöße der Schülerinnen und Schüler zu verhindern. Die Wahl des Eingriffsmittels muss sich vielmehr immer an dem Grad der Gefahr für die Schülerinnen und Schüler oder Dritte orientieren. Eine angemessene Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, sprich eine sorgsame Auswahl der gebotenen Mittel, zieht keine strafrechtlichen Konsequenzen für die Lehrkraft nach sich.

 

Nur wenn der oder die Aufsichtspflichtige trotz entsprechender Hinweise auf eine unzulässige Nutzung oder Gefährdung der Schülerinnen und Schüler Schutzmaßnahmen unberücksichtigt lässt, besteht die ernsthafte Gefahr strafrechtlicher Verantwortlichkeit der Lehrkraft.

Strafanzeige als letztes Mittel

Eine Strafanzeige, die grundsätzlich nicht durch die Lehrkräfte selbst, sondern ausschließlich durch die Schulleitung erfolgen sollte, ist nur dann geboten, wenn dies das einzige Mittel ist, eine Gefährdung Dritter, insbesondere anderer Schülerinnen und Schüler, zu verhindern.

Beispiel zur Umsetzung

Erste Reaktion

Findet eine Lehrkraft nach einer Unterrichtsstunde von 17-jährigen Schülerinnen und Schülern auf einem Computer Hinweise darauf, dass pornografische Inhalte abgerufen wurden, wird die Löschung der Inhalte, verbunden mit dem deutlichen Hinweis, dass ein solcher Zugriff fortan zu unterbleiben habe, fürs erste genügen.

Intensivierung der Aufsichtspflicht

Nur wenn erneut rechtswidrige Inhalte gefunden werden, bedarf es einer Intensivierung der Aufsicht, beispielsweise durch häufigere Gänge durch die Klassen und die Aktivierung weiterer Sperrfunktionen von Filtersoftwaresystemen.

 

Eine Neuanordnung der Computertische zum Zwecke einer besseren visuellen Überwachung der Bildschirme kann dies unterstützen.

Ausschluss vom Unterricht

Der Ausschluss einzelner Schülerinnen und Schüler von der Internetnutzung im Unterricht ist als drastischstes Mittel zulässig, wenn auf andere Weise eine Aufsicht nicht ausgeübt werden kann.
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